RothenburgMuseum - Sonderausstellungen

Pittoresk!

Der Begriff des Pittoresken stammt aus dem Englischen und war im 19. Jahrhundert so präsent, dass sogar eine ganze Malepoche danach benannt werden sollte – ähnlich wie Manierismus, Barock oder Klassizismus. Er bedeutet wörtlich übersetzt „malerisch“ oder „malwürdig“, aber auch „bildschön“ wird als synonym angegeben. Rothenburg ob der Tauber wurde schon so häufig mit diesem Adjektiv belegt, dass es verwundert, dass es bisher noch keine ernsthafte Auseinandersetzung mit diesem Thema gegeben hat. Kaum eine andere Gegend Deutschlands verkörperte schon im 19. Jahrhundert die Verbindung von intakter Landschaft und dekorativer Architektur wie die traditionsreiche Reichsstadt Rothenburg und deren harmonische Einbettung in das reizvolle Taubertal.

Bei den vielgestaltigen Wahrnehmungen und Eindrücken der hiesigen verwinkelten Stadtstruktur, eingebettet in eine einmalige Natur, drängt sich der Begriff des „Pittoresken“ geradezu auf. Dies umfasst jedoch nicht nur das, was ein Motiv „malenswert“ macht; sehr oft fallen dabei auch die Worte Idylle und Romantik, manchmal sogar Erhabenheit.

Kein Wunder also, dass eine große Anzahl von Malern die Stadt besuchte und in ihrem Medium festhielt. Trotzdem bleibt die Frage: Wie erlangte Rothenburg diesen Kultstatus und wie begünstigten und zelebrierten die Künstler den Mythos?

Anhand von Bildern deutscher und englischer Maler und Malerinnen wie Gustav Kraus, Hans Thoma, Theodor Alt, Arthur Wasse, Elias Bancroft, James Douglas und Adeline S. Illingworth, die die Tauberstadt als idyllischen Rückzugsort zeigten, kann man dem Phänomen des Pittoresken in einer Sonderausstellung im RothenburgMuseum nachspüren.

Neue Wege beschreitet dieses Ausstellungsprojekt dahingehend, dass gegen die Überformung des Rothenburg-Bildes durch den Tourismus eine „Wiederaneignung“ mittels Teilhabe bürgerschaftlicher Gruppierungen stattfinden wird, indem verschiedenste Projekte im Lauf der Ausstellung integriert werden. Natürlich können Besucher über „Augmented Reality“ per Handykamera weitere Informationen zu den gezeigten Kunstwerken liefert erlangen.

Einzelne Kunstwerke können schon vorab betrachtet werden. Kunsthistoriker Dr. Hellmuth Möhring stellt sie im Video vor:

https://www.rothenburgmuseum.de/erlebnisort/lernort

Rothenburg ob der Tauber in London

Vor dem Ersten Weltkrieg diente Rothenburg ob der Tauber namhaften Architekten und Stadtplanern als Musterbeispiel einer organisch gewachsenen, in seinen Bauensembles harmonisch gefügten Mittelalterstadt. Gegen die Reißbrettplanungen moderner Städte mit ihren planen Straßenverläufen und auf ökonomische Effizienz getrimmten Wohnquartieren plädierten Stadtplaner wie der Österreicher Camillo Sitte (1843 – 1903) für eine „malerische“, das menschliche Maß achtende Stadtarchitektur. Sittes „Städtebau nach seinen künstlerischen Grundsätzen“ (1889) räumte u.a. Rothenburg ob der Tauber die Rolle eines prominenten Beispiels ein. Immer noch in zeitlicher Nähe zum Brexit, dem Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union, befasst sich die Ausstellung nicht nur mit dem bislang kaum bekannten Phänomen der architektonischen Wirkung Rothenburgs in Großbritannien: Sie wirft zusätzlich einen Blick auf die engen Verbindungen zwischen dem deutschen Kaiserreich und dem britischen Empire vor dem Ersten Weltkrieg – hier auf der fachlichen Ebene der Architekten. Der nationenübergreifende Austausch wird zum bereichernden Element.

Die Stadt Rothenburg ob der Tauber wurde in der Architektenszene als Musterbeispiel des malerischen (pittoresken) Architekturstils rezipiert und fand so auch Eingang in Diskussionen der englischen und deutschen Gartenstadtbewegung. Die Planer und Architekten der Gartenstadt Hampstead Garden Suburb in Nord-London (ab 1907) übernahmen von Rothenburg ob der Tauber nicht allein einzelne Architekturmotive wie Dachformen, Laubengänge und Treppenaufgänge, sondern bauten auch die Stadtmauer als „Great Wall with its Germanic Towers“ als Abgrenzung von der Hampstead Heath quasi analog zum Taubertal nach. Ebenso fanden Motive Rothenburgs auch Eingang in Richard Riemerschmids Bauten „Am Grünen Zipfel“ in der ersten deutschen Gartenstadt Hellerau bei Dresden (ab 1909). Vor dem Ersten Weltkrieg wird Rothenburg ob der Tauber in der Architekturdiskussion fassbar als Beispiel einer pittoresken Moderne im klaren Gegensatz zur späteren Bauhaus-Moderne. Doch so wie die Bauhaus-Moderne sich bis ins 21. Jh. weiterentwickelt hat, so hat auch der malerische Architekturstil neue Ausprägungen erfahren (bspw. Frank O. Gehry, Daniel Libeskind) und die Idee der Gartenstädte darf angesichts der Unwirtlichkeit mancher Städte gleichfalls neue Bedeutung beanspruchen.

Sonderausstellungen im Refektorium des RothenburgMuseums. Ausstellungsdauer bis 31. Dezember 2022. Öffnungszeiten: Januar bis März 13:00 – 16:00 Uhr, April bis Oktober 9:30 – 17:30 Uhr, November bis Dezember 13:00 – 16:00 Uhr, während des Weihnachtsmarkts 10:00 – 16:00 Uhr. Eintrittspreise: Erwachsene 5 €; Gruppen ab 10 Personen (p. P.) 4 €.

 

Kinderführungen

07.08.2022

4.09.2022

Die Führungen sind auf Kinder von 6 bis 14 Jahren zugeschnitten. werden von Luise Limburg und Andreas Oft vom Freundeskreis e.V. angeboten, dauern etwa eine Stunde und beginnen jeweils um 11 Uhr. Bitte melden Sie sich an unter museum@rothenburg.de. Mindestteilnehmer: 3 Personen. Höchstteilnehmer: 15 Personen. Wir empfehlen das Tragen einer FFP2- bzw. medizinischen Maske.

 

Sonderführungen

Mitglieder des Freundeskreises bieten immer wieder Führungen zu besonderen Themen an, die ihnen besonders am Herzen liegen. Diese Begeisterung überträgt sich direkt auf die Teilnehmenden.

 

31.07.22 Elise Mahler und Maria Ressel (Teil II)

Führung mit Jutta Striffler: Die Malerpionierinnen Elise Mahler und Maria Ressel: Ihr Leben in der Bronnenmühle ( Inhalte aus den Briefen an ihren Vater nach Harrislee) und die Gründung des „Kunstsalons“ im Baumeisterhaus.

 

28.8.22 Waffen der Sammlung Baumann

Führung mit Dr. Hellmuth Möhring: Friedrich der Große, König Ludwig II. von Bayern, Fürst Klemenz von Metternich: sie bzw. ihre Waffen sind prominent in der Sammlung Baumann vertreten. Es sind Prunk- und Jagdwaffen auf allerhöchstem handwerklichen und künstlerischen Niveau. Allerdings stehen im starken Kontrast dazu auch die perfiden Tötungswaffen des Dreißigjährigen Krieges oder die trickreichen Techniken von Wilderern, die mit scheinbar simplen Luftgewehren Hirsche bis auf 80 m Entfernung erlegen konnten.

 

25.09.22 Arthur Wasse

Führung mit Jutta Striffler: Der britische Maler – sein Künstlerleben und Wirken und seine Freunde in Rothenburg ob der Tauber.

 

30.10.22 Holzbaukunst im Museum: Säulen, Decken und Dachwerke des Dominikanerinnenklosters

Führung mit Konrad Bedal: Das einstige Kloster besitzt bedeutsame mittelalterliche und frühneuzeitliche hölzerne Bauteile, die bisher nur selten gewürdigt wurden, wie die große holzgewölbte Decke des Winterrefektoriums, der mittelalterliche Dachstuhl des Nordflügels, Fachwerkwände mit Zierformen und Farbfassungen, bemalte Balkendecken mit freistehenden geschnitzten Holzsäulen, spätmittelalterliche Tor- und Türflügel. Soweit zugänglich, sollen diese „Kostbarkeiten in Holz“ in einem Rundgang vorgestellt und dabei auch allgemein auf die Bedeutung des Holzbaus in Rothenburg eingegangen werden.

 

27.11.22 Judaika für Anfänger

Führung mit Luise Limburg: Chanukka, Seder, Purim, Laubhüttenfest:für viele Menschen nichtjüdischen Glaubens sind diese Begriffe böhmische Dörfer. Dabei ist es gar nicht so schwierig, Zugang zum Verständnis des Judentums zu erlangen. Basis ist das Alte Testament der Bibel und die Vorstellung, dass der Messias noch nicht gekommen ist – dies ist wohl der gravierendste Unterschied zum christlichen Glauben. Luise Limburg wird lebendig und anschaulich in die Welt der Judaika einführen.

 

18.12.22 Rothenburger Skulptur des Mittelalters

Vortrag mit Dr. Hellmuth Möhring: Denkt man an die Rothenburger Skulptur des Mittelalters, fällt unwillkürlich der Name Tilman Riemenschneider. Sein Oeuvre überstrahlt dabei die oft nicht weniger qualitätvollen Bildwerke, die zu Unrecht ein Schattendasein führen. Dabei müssen der Christophorus in der Jakobskirche oder die Madonna in der Spörleinkapelle den Vergleich mit dem Würzburger Meister nicht scheuen. Hellmuth Möhring wird in seinem lichtbildgestützten Vortrag die Bedeutung und die Eigenheiten dieser Skulpturen herausstellen.

Die Führungen dauern etwa eine Stunde und beginnen jeweils um 11 Uhr. Bitte melden Sie sich an unter museum@rothenburg.de oder unter www.rothenburg-tourismus.de/erlebnisse. Mindestteilnehmer: 3 Personen. Höchstteilnehmer: 15 Personen. Wir empfehlen das Tragen einer FFP2- bzw. medizinischen Maske.

Eintrittsgebühren: 6 EUR p.P. , ermäßigt: 5 EUR p.P.

 

Vorankündigung

Rothenburgs Stadtbild und Architektur unter besonderer Berücksichtigung des Rothenburger Wegs

Die Besonderheit von Rothenburgs Stadtbild und Architektur war bereits Thema der Sonderausstellung „Rothenburg in London“ (RothenburgMuseum 2020 – 2022). 2023 soll die Alleinstellung von Rothenburgs Stadtlandschaft und Stadtbild noch eingehender untersucht werden.

Unter dem „Rothenburger Weg“ wird im engeren Sinne die herausragende Wiederaufbauleistung von 40 % des Stadtbildes nach dem Zweiten Weltkrieg verstanden. Im weiteren Sinne handelt es sich aber um die einzigartige Wirkungsgeschichte der Rothenburger Architektur seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. In zahlreichen Fachpublikationen des 19. Jh. wurden Motive der Rothenburger Architektur als beispielgebend für Mittelalter, Renaissance und Früher Neuzeit angegeben: so jeweils in den Werken Wilhelm S. Bäumers (Rothenburger Architectur-Schule von 1869), August Ortweins (Deutsche Renaissance, Leipzig 1871-1884), Wilhelm Lübkes (Geschichte der Architektur, Leipzig 1884), Conrad Sutters (Das Thurmbuch, Berlin 1895) und vielen anderen mehr. Bündig fasst Georg Dehios Urteil von 1908 „Die Stadt als Ganzes ist Denkmal“ diese eindrucksvolle Wirkungsgeschichte von Rothenburg ob der Tauber zusammen.

Gerade Reformbewegungen wie die Deutsche Gartenstadtbewegung, der Deutsche Werkbund u.a., die im Umfeld des von Ernst Rudorffs 1897 ins Leben gerufenen „Heimatschutz“ gediehen, bezogen sich immer wieder auf Rothenburgs kleinstädtisches und von Handwerk geprägtes Erscheinungsbild als einen positiven Gegenentwurf zu wachsender Verstädterung und moderner Industrieproduktion. Nach dem Ersten Weltkrieg inspirierte Rothenburg ob der Tauber auch den sogenannten „Heimatstil“, der dann von Vertretern wie Paul Schultze-Naumburg prominent in die NS-Bewegung überführt wurde.

Im Spannungsfeld von Heimatstil, Moderne und Rückbesinnung auf den reformerischen Gehalt von Rothenburgs Architektur, beispielhaft in der englischen Gartenstadt Hampstead Garden Suburb realisiert, soll die Wiederaufbauleistung des „Rothenburger Wegs“ erstmals kritisch gewürdigt werden. In den Räumlichkeiten der sogenannten Galerie des RothenburgMuseums wird durch neu erschlossene schriftliche Quellen, Fotomaterialien, Modelle und Pläne die besondere Bedeutung des Wiederaufbaus und die offenbar zeitlose Besonderheit der Rothenburger Stadtgestalt für Besucher gleichermaßen anschaulich wie eindrucksvoll vor Augen geführt werden. Das Spannungsfeld von Replikat, Denkmalschutz und moderner Lebensqualität wird ein weiterer Themenkomplex sein.

Das geschlossene und harmonische Stadtbild ist bis heute die Kernressource der Stadt und die Frage drängt sich auf, wie konnte es zu dieser – im Vergleich zu anderen Städten – herausragenden Kraftanstrengung in der Wiederaufbau-leistung nach dem Zweiten Weltkrieg kommen? Warum wurde von Bürgern, Stadtverwaltung und Denkmalschutz so viel Aufwand betrieben, mit dem "Rothenburger Weg" das Stadtbild zu erhalten? Wie kam es auch hier zu der Wahrnehmung und Rezeption als der mittelalterlichen Stadt? Welche Rolle spielen Erker, hohes Dach, Giebelständigkeit, Fachwerk, Fensterlaibungen sowie weitere Merkmale in der Wahrnehmung von Rothenburgs architektonischen Besonderheiten? Wie kam es zu der Wahrnehmung einer „organisch“ gewachsenen Stadt? Welche Rolle spielt noch heute der Wiederaufbau verlorener Bausubstanz für die Kulturlandschaft und die regionale Identität? Welchen modernen Einflüssen muss oder darf sich eine historische Altstadt öffnen? Welchen Wert kann die schöpferische Rekonstruktion eines historischen Stadtbildes in Bezug auf die lokale, regionale oder überregionale Identitätsbildung haben?

Ziel der Ausstellung ist es, die Wahrnehmung von Rothenburg insgesamt zu verändern und gleichermaßen der kunsthistorischen Bedeutung wie dem städtebaulichen Stellenwert der Stadt neue Dimensionen zu erschließen. Indem Rothenburgs architektonische und städtebauliche Eigenheiten innerhalb der deutschen Architekturgeschichte seit dem 19. Jahrhundert und vor allem im Kontext des Wiederaufbaus nach dem Zweiten Weltkrieg herausgearbeitet werden, wird zugleich ein substanzieller Beitrag zum denkmalwürdigen Erhalt der Altstadt für die Zukunft geleistet. Indem die Eigenschaften des Wiederaufbaus – etwa bezüglich seiner Authentizität, seines Gefühlswertes, seinem Anspruch auf Wiederaneignung verlorengeglaubter Identität – untersucht werden, wird die Rolle der Altstadt Rothenburgs für die Kulturlandschaft deutlich. Das Denkmal als Ressource zu erfassen und eine positivere Einstellung zum Denkmal zu entwickeln, auch dafür zu sensibilisieren, Landverlust zu vermeiden, sind weitere Ziele der Ausstellung.

Außerdem wird die Ausstellung einen Blick auf die Erhaltung des Friedens und die Ablehnung von jeglicher Zerstörung lenken. Die Notwendigkeit, das kulturelle Erbe zu erhalten, soll Bürgern wie Gästen von nah und fern bewusst gemacht werden.

Ein weiteres Ziel wird es sein, das RothenburgMuseum als Lern- und Erlebnisort neu zu begründen. Der Umgang mit den baulichen Denkmälern in Städten und Dörfern ist eine drängende Frage unserer Zeit. Dies betrifft sowohl den Umbau von privaten Wohnhäusern, als auch die Sanierung maroder Stadtviertel bis hin zur nachhaltigen Stadtplanung. Dabei sind verschiedene Aspekte abzuwägen, darunter der Wert historischer Bausubstanz für die Identität der Orte und deren Bewohnerinnen und Bewohner, der Authentizitätsanspruch der Rekonstruktion und die Gewichtung moderner wie wirtschaftlicher Bedürfnisse der Bürgerinnen und Bürger. Zugleich wird die Ausstellung auch die Keimzelle zu einer in Kooperation mit dem Institut für Städtebau und Europäische Urbanistik an der RWTH Aachen geplanten „Akademie für Städtebau und Denkmalschutz“ sein.